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Pfeilschrift: Reflexionen über die Liebe - Norbert Sternmut & Birte Schumann Empfehlung

Auszug Klappentext: »Norbert Sternmut und Birte Schumann haben sich vorgenommen über die Liebe zu erzählen …«

Und dies ist den beiden wohlgelungen. Das Buch ist in drei Teile geteilt, beginnend mit dem Essay von Birte Schumann, im Mittelteil folgen die Gedichte Norbert Sternmuts und am Schluss des Buchs stehen die Märchen, als Fundament der Reflexion.

Birte Schumanns Essay und die Gedichte Norbert Sternmuts können miteinander – harmonieren miteinander – eine gelungene Vereinigung von Essay und Lyrik.

Mir gefällt die spielerische Leichtigkeit des Sprachrhythmus der Abhandlung. Es wirkt, als wenn mit dem Schreibfluss synchron die Gedankenentwicklungen der Autorin zu Papier gebracht wurden, fast wie ein sich spontan entwickelnder literarisch, philosophisch angehauchter kleiner Vortrag, inmitten einer Freundesrunde, bei einem guten Glas Rotwein.

Märchen bilden das Fundament für den Essay, besonders eines, welches, wie Birte Schumann im Vorwort schreibt, es beiden – also ihr und auch Norbert Sternmut – angetan hat – ›Dornröschen‹. Mir war nicht bewusst, dass es noch zwei andere Variationen gibt, die sogar älter sind, als die der Gebrüder Grimm – »Sonne, Mond und Thalia« von Giambattista Basile und »Das Dornröschen oder die schlafende Schöne im Wald« von Charles Perrault. Für mich, als Lesende, eine Bereicherung.

Die anderen beiden Märchen, welche die Autorin für ihr Essay heranzieht, sind von den Gebrüdern Grimm: »Vom Fischer und seiner Frau« und »Von dem Machandelboom«. Letzteres ein ziemlich schwergewichtiges Märchen, welches man auch bei Ludwig Bechsteins Märchensammlung unter dem Namen: »Der Wacholderbaum« wiederfindet – grausam geht es da zu – es hat und wird nie zu meinen Lieblingsmärchen zählen. Aber interessant ist es schon, wie weit Eifersucht gedeihen kann, wenn zu wenig Selbstliebe im Spiel ist und das Ganze noch angereichert, mit Gier und Machtgelüsten, eskaliert, bis zum Mord.

Eine mutige und interessante Entscheidung, grade diese Märchenkombination als Fundament zu wählen. Und gerade darum fehlt mir etwas Grundlegendes im Essay. Birte Schumann umschifft gekonnt die Klippen, unter anderem auch die der Aussage in Basils Dornröschen: »da sie aber trotz seines Schreiens und Rüttelns, nicht erwachte, er aber von ihrer Schönheit durch und durch erglühte, trug er sie in seinen Armen auf ein Lager und pflückte dort die Früchte der Liebe«. Eine Vergewaltigung – die Ausnutzung eines wehrlosen Zustandes – aus welchem die Liebe hervorgeht, auch wenn die ›Schönheit‹ auch erst des Königs Geliebte nur ist? Für mich ausgeschlossen, außer die Prinzessin litt am Stockholm-Syndrom, dann wäre das erklärbar. Diese Gedanken hat man natürlich nicht als Kind, wenn man in Märchenbüchern liest, da ist man betört und verzaubert von der Märchenwelt, und denkt sich bei diesen Sätzen nichts Böses. Mir stellt sich auch die Frage, warum die Autorin nicht darauf eingeht, dass in den angesprochenen Märchen ausschließlich den Frauen der eifersüchtige böse Part zugewiesen ist. Ein Aspekt, der unter modernen Gesichtspunkten hätte beleuchtet werden können, auch im Hinblick auf eine Reflexion der Liebe und deren Wandelbarkeit über die Jahrhunderte hinweg.

Bedenkt man jedoch, dass ein Essay immer kurz gehalten und sozusagen eine Reflexion ist – hier die der Liebe – und das tragende Fundament dazu, die genannten Märchen sind, es außerdem um die Entwicklung, der eignen Gedanken geht, dann sind diese Einschränkungen durchaus erklärbar. Denn die Leserschaft wird herausgefordert, die Gedanken der Autorin mit ihren eigenen zu verknüpfen, zu vergleichen, Widersprüche zu sehen und über das Thema neu nachzudenken, nachzulesen. Gut gelungen!

Fast stiehlt der Essay den Gedichten die Show, aber nur fast. Denn Norbert Sternmut vermag es, die Aufmerksamkeit der Leser, zielgerichtet auf seine Gedichte zu lenken. Sie sind anders als viele, die ich kenne. Oft muss man zwischen den Zeilen den Gedanken des Dichters nachgehen. Sternmut fordert seine Leser heraus, genau hinzuschauen, genau zu lesen, seinen Gedankengängen zu folgen, zu fühlen und zu verstehen, auch zu assoziieren. Einfach ist das sicher nicht, doch lohnend.

Auf Seite vierundfünfzig steht das Gedicht, welches dem Buch seinen Namen gab: »Pfeilschrift« – allein schon der Titel birgt für mich zwei Assoziationen: Pfeilschrift = ›Keilschrift‹ – Liebe, eingemeißelt ins Herz – da bleibt sie stehen, für immer, mit den Gedanken an die Geliebte … Aber auch Amors Pfeil, welcher das Herz durchbohrt, eine blutende Wunde, die geheilt wird, durch die Liebe, durch die Vereinigung zweier sich Liebender.

Norbert Sternmuts Liebesgedichte im Buch, sind oft metaphorisch – sie bergen die Liebe, den Liebesakt, Hoffnung, Trennung, Verlustängste, die Sehnsucht nach mehr, unstillbares Verlangen, auch die Sehnsucht nach Heilung des in ihm schlummernden, tief verborgenen Seelenschmerzes (Trauma?) durch die Liebe. Beim Lesen hatte ich das Gefühl, dass seine Gedanken und Gefühle ihm beim Schreiben seiner Liebesgedichte, sozusagen die Feder führten – aus seinem Innersten herausfließen – seine Seele sich für Augenblicke öffnet, um sich ihm selbst und seinen Lesern, für einen kurzen Augenblick zu offenbaren.

Hier eines seiner Gedichte, zum Verständnis meiner Ausführungen:

Aufspürung

Geborgen bleibt
der Schatz in der Tiefe.
 
Du leckst mir
alte Wunden weg,
stehst in der Blüte, hart
stoßen wir an die Wolken,
schauen, spüren,
stöhnen, nahe,
an der Welt

Gern empfehle ich das Buch all jenen die neugierig sind, auf moderne Lektüre und auch all jenen die sich des Themas Liebe besinnen. Es ist einfach lohnend und spannend zugleich, das Buch zu lesen, schon um seinen Blickwinkel, sein Denkfeld zu erweitern, eigene Ideenketten zu assoziieren und um neu über die Liebe, über sich selbst und auch über das Leben und das Wie nachzudenken. Übrigens hab ich mich in das Cover verliebt, es ist wunderschön und passt hervorragend zum Thema.

Heidelinde Penndorf 

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