Die Handlung kommt sehr sozialkritisch daher, räumt auf mit den klischeehaften verzaubernden Bildern vom Traum-Urlaubsland Afrika, die wir in jedem Reisebüro bewundern können. Hinter den Kulissen, weit weg von luxuriös geführten Safari-Touren und anderen Belustigungen, erleben die Leser das wahre Afrika – ungeschönt und arm.
Nathalie Kutscher führt die Leserinnen und Leser in eine Krankenstation, in ein Krankenhaus am Rande des Buschs. Eine regelhafte medizinische Grundversorgung gibt es nicht, notwendige Grundausstattung ist kaum vorhanden und das zumeist ehrenamtliche medizinische Personal ist oft am Improvisieren, um zumindest die größte Not zu lindern, Infektionen im Keim zu ersticken, bei Geburten zu helfen und über Verhütung aufzuklären. Da wird Menschlichkeit und Nächstenliebe sichtbar.
Die Leserschaft erlebt den Elan des medizinischen Personals, ihre Ängste, manchmal ihren Zorn und ihre Hilflosigkeit, ob der Situationen, in welcher sie nicht mehr tun können, weil die einfachsten Mittel fehlen, das nimmt Kraft weg.
Die Autorin macht da, wo es anfängt, den Lesern moralisch weh zu tut, jedoch nicht halt, sie nimmt auch die Pharmaindustrie aufs Korn. Schreibt über illegale Impfungen an Kindern der Eingeborenen, mit noch nicht zugelassenen Impfstoffen. Im Busch, weit ab der Zivilisation, fällt das ja nicht ins Gewicht und keiner in Europa weiß und merkt es, wenn ein Kind an so einer Impfung verstirbt – ist ja alles so weit weg!
Die Story ist eingebettet in eine wundervolle Liebesgeschichte zweier Frauen, beide Ärztinnen, beide stark und mutig – die eine normal verdienend, die andere vom Leben verwöhnt. Die muss ihre Bestimmung im Leben erst noch finden – doch das geschieht schneller als sie glaubt, weil sie durch die vorfindenden Situationen herausgefordert ist, schnell zu ihrem Ich, zu sich selbst zu gelangen.
Doch dann passiert eine menschliche Katastrophe, die beider Leben und ihre Pläne fast zunichtemacht.
Die Handlung lenkt die Aufmerksamkeit der Leserschaft über die Liebesbeziehung der beiden Frauen auch auf das Thema gleichgeschlechtlichen Liebe. Die Eingeborenen erkennen diese Liebe nicht an und wollen die betroffenen Frauen ›umerziehen‹ – da ist noch viel Aufklärung nötig.
Dieses Thema bewegt aber auch Europa. Gerade im September 2020 wurde in Österreich im Zuge einer Demo eine Regenbogenfahne, die für zwischenmenschliche Vielfalt steht, symbolisch zerrissen und gleichgeschlechtlich Liebende mit Kinderschändern und Pädophilen gleichgesetzt. Deshalb ist es wichtig und richtig, dass es Queere Literatur gibt, die mit den Geschlechternormen bricht und auch darüber schreibt, so wie zum Beispiel Nathalie Kutscher – und das auch ziemlich gut. Ich empfehle das Buch sehr gerne weiter.
Heidelinde Penndorf
(September 2020)
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