Herzklopfen
„Du?“, entfährt es Pascal erstaunt. „Wie kommst du denn hierher?“
Dass er Oliver gerade eben geduzt hat, fällt ihm nicht einmal auf, der Angesprochene jedoch kann sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen.
„Ja ich, in voller Lebensgröße. Ähmmm … ich denke … ich bin mit dem Wagen hergekommen. Sag mal, arbeitest du hier? Ist ein hübscher Laden. Gefällt mir sehr gut.“
„Wie hast du mich gefunden oder ist es nur ein Zufall? Und nein, ich arbeite hier nicht einfach, es ist mein Geschäft. Ich bin der, der draußen dransteht.“
„Kommst du aus Frankreich? Ich meine nur so – wegen des Namens. Ähm … das Ganze ist mir eigentlich ein wenig peinlich, ich möchte nämlich gar keine Rosen, obwohl ich diese schwarzen Exemplare vergöttere. Ich war nur zufällig hier in der Nähe, ein Geschäftstermin und – na ja … ist auch egal. Aber vielleicht, ich will dich jetzt nicht bedrängen oder so, ähm … eventuell könnten wir uns heute Abend auf einen Drink treffen? Ich muss jetzt leider wieder los. Wann hast du Zeit?“
Oliver stößt diese Fragen förmlich hervor, dabei sieht er Pascal unverwandt an und taucht wieder in dessen Augen ein.
Pascal stutzt, dann beginnt er, leise zu lachen.
„Sag mal, bist du immer so hektisch? Ja, ich habe tatsächlich einen französischen Namen, bin aber hier geboren, mittlerweile sechsundzwanzig, gesund und geimpft. Heute Abend hätte ich ein bisschen Zeit, so ungefähr ab zehn nach sechs. Wenn du magst, komm einfach her, ich warte auf dich, einverstanden?“
Oliver tritt einen Schritt zurück und grinst bis zu den Ohren. Zweimal hüpft das Herz in seinem Körper wie ein Flummi.
„Und ob ich einverstanden bin. Ich gebe mir Mühe, pünktlich da zu sein. Mein Name ist übrigens Oliver.“
Mit diesen Worten schiebt er sich rückwärts durch den Laden, seinen Blick unverwandt auf Pascal geheftet.
„Ja, ich weiß“, gibt Pascal grinsend zur Antwort, das aber hört Oliver schon nicht mehr. Einen Augenblick später sieht man ihn mit seinem Wagen am Geschäft vorbeifahren.
Olivers Hände zittern eine ganze Weile. Bevor er bei seinem Kunden aus dem Auto steigt, trägt er ein wenig Deo auf und wischt sich die Schweißperlen von der Stirn. Voller Vorfreude auf den bevorstehenden Abend schnappt er sich die Unterlagen und geht in das Unternehmen, wo er bereits erwartet wird.
*
Pascal kann sich kaum auf seine Arbeit konzentrieren. Noch nicht einmal die einfachsten Dinge wollen ihm gelingen.
„Ich brauche einen Kaffee – und zwar den von Lissy“, nuschelt er vor sich hin und schließt sein Geschäft für einen Augenblick ab.
„Spatzi, mein Körper lechzt nach Koffein“, stürmt er in Lissys Geschäft und versucht, sich ein wenig zu beruhigen.
Lissy hingegen grinst ihn an und zwinkert leicht mit dem linken Auge.
„Na, da hat sich aber einer mächtig verknallt“, entgegnet sie, stellt einen Becher unter ihre Maschine, drückt den Startknopf und reicht ihm eine geöffnete Kekspackung hinüber.
Automatisch greift Pascal zu und beißt gleich darauf so herzhaft in eins der kleinen Gebäckstücke, dass es in etliche kleine Teile zerbricht und anschließend als Kekspuzzle den Boden ziert. Verdattert schaut er auf die Bescherung, während Lissy in lautes Lachen ausbricht.
„Mannomann, du bist ja völlig daneben. Aber nun sag, war er das? Der Typ, der Traum deiner eingeschlafenen Füße?“
„Hey, sag mal. Der sieht doch klasse aus oder findest du nicht?“
Pascal wirkt etwas beleidigt, sodass Lissy sofort beschwichtigend abwinkt.
„Das Kerlchen ist schon ziemlich attraktiv. Ich meine, wenn ich dreißig Jahre jünger wäre, dann … aber … ich bin nun mal nicht schwul … obwohl ich schon immer auf Männer gestanden habe.“
„Du nun wieder“, entgegnet Pascal, der in der Zwischenzeit sein Lachen wiedergefunden hat und Lissy etwas frech in die Seite stupst. „Hat er nicht traumhafte Augen?“
Dabei sieht er so verzückt aus, dass Lissy fast der Mund offen stehen bleibt. Das ist scheinbar viel ernster, als sie zunächst vermutet hat. 'Hoffentlich gibt das keinen gewaltigen Ärger mit Tobias', schießt es Lissy durch den Kopf. Immerhin weiß sie aus Pascals Erzählungen und auch von gelegentlichen Treffen, dass Tobias leider ein wenig zum Jähzorn neigt, wenn er seinen „Besitz“ gefährdet sieht.
„Na so genau habe ich mir die nicht angesehen. Was wollte er denn?“
„Nur reinschauen und Guten Tag sagen. Heute Abend trinken wir etwas zusammen, er kommt hierher. Ach ich freue mich ja so sehr.“
Mit diesen Worten greift er mit beiden Händen um Lissys Taille herum und dreht mit ihr eine Tanzrunde durch den kleinen Laden, bis sie lachend Einhalt gebietet und nach Luft schnappt.
„Nicht so stürmisch, junger Mann, alte Frau ist schließlich kein D-Zug.“
„Lissy, du wirst niemals alt“, lacht Pascal in das leicht verschwitzte Gesicht seiner Freundin. „Und nun muss ich wieder rüber. Bis später Spatzi.“
Kopfschüttelnd, lächelnd und trotzdem ein wenig nachdenklich sieht Lissy ihm hinterher.
*
Oliver sieht immer wieder unauffällig auf seine Uhr. Heute scheint die Zeit einen Slowmotion-Preis gewinnen zu wollen. Die Stunden ziehen sich zäh wie Kaugummi und er kann sich kaum auf seine Arbeit am Schreibtisch konzentrieren. Der Auftrag des Vormittags scheint zu einem guten Ende zu kommen und der Chef ist mit ihm deswegen sehr zufrieden, zumindest hat er das vor wenigen Minuten verlauten lassen. Ob er die Gunst der Stunde nutzen sollte, um zu fragen, ob er etwas früher Feierabend machen kann? Dann könnte er sich nämlich noch einen Friseurbesuch gönnen und schnell umziehen. Kurzerhand klopft er an Beas Bürotür.
„Hast du einen Moment für mich Zeit?“, fragt er vorsichtig, da sie in dem Moment sehr beschäftigt aussieht.
„Schnuckelchen, für dich doch immer, das weißt du hoffentlich. Komm rein und setz dich. Ich hole uns einen Kaffee.“
Bea geht kurz in die Küche, holt zwei Tassen aus dem Schrank und gießt diese mit dem schwarzen Gebräu voll.
„Was hast du auf dem Herzen? Geht es um den Auftrag von Herrn Behrens, den du aufs Auge gedrückt bekommen hast? Das ist ja nicht so ganz dein Fachbereich. Vielleicht kann ich dir helfen?“
Oliver schüttelt den Kopf.
„Das brauchst du nicht. Die Angelegenheit ist erledigt. Ich hatte heute früh einen Außentermin und der Alte hat mich gelobt. Hat also alles gut geklappt. Eigentlich wollte ich etwas anderes …“
Bea zieht ihre Augenbrauen hoch.
„Jetzt machst du mich neugierig. Schieß mal los.“
„Ich war im Blumenladen. Er ist es, ich habe ihn dort angesprochen. Oh mein Gott, was war ich nervös und nun habe ich ein Date mit ihm. Um kurz nach sechs soll ich an seinem Geschäft sein, dann wollen wir etwas trinken gehen.“
Bea lächelt und umarmt Oliver kurz.
„Na, das ist doch super. Ich freue mich so für dich.“
Oliver nimmt einen tiefen Schluck aus seiner Tasse.
„Sollte ich vielleicht noch kurz beim Friseur vorbeischauen? Vielleicht könnte ich auch fragen, ob ich eine Stunde eher gehen kann. Ich fühle mich dann einfach besser. Immerhin möchte ich einen guten Eindruck machen.“
„Och Schnuckelchen, du siehst so hübsch aus mit deinen Haaren. Bleib so natürlich, wie er dich heute Morgen gesehen hat. Damit machst du nichts verkehrt. Wo geht ihr denn hin? Zu Tine?“
Für einen Moment überlegt Oliver.
„Am liebsten würde ich mit ihm nach Hause gehen, aber für das erste Treffen ist wohl besser, ein Lokal aufzusuchen und da würde sich Tine anbieten,
oder?“
Bea nickt.
„Am liebsten würde ich Mäuschen spielen, aber nein – das mache ich nicht. Ich finde das so süß und wünsche dir viel Spaß heute Abend. Lange dauert es ja nicht mehr. Und Schnuckelchen?“
„Ja?“
„Melde dich bei mir, wenn du daheim bist. Ich brauche Neuigkeiten.“
Oliver grinst und geht zur Tür hinaus. Seine leere Kaffeetasse stellt er in die Spülmaschine, schaltet diese an und wischt kurz die Kaffeeflecken von der Arbeitsplatte. Sein Tagesbericht wartet noch, diesen schreibt er im üblichen Stil und verschickt ihn per E-Mail an den Chef sowie an seinen Kollegen, der sich dem übernommenen Auftrag in der nächsten Woche wieder widmen muss.
Pünktlich knipst er das Licht im Büro aus und nimmt sich ein Taxi, damit er zu seinem Date nicht zu spät kommt.
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Anmerkung der Autoren
Liebe Leserin und lieber Leser,
zunächst einmal bedanken wir uns herzlich, dass Sie dieses Buch erstanden und auch bis hierher gelesen haben. Oder haben Sie etwa zuerst auf das Ende geschaut? Auch okay, aber Sie sollten sich natürlich dennoch den Rest der Story nicht entgehen lassen. Danke natürlich trotzdem.
Wir haben lange überlegt, wie die letzten Sätze lauten sollten. In Märchen ist das ganz einfach, da heißt es immer:
„… und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie immer noch glücklich und zufrieden.“
Nun ist diese Geschichte zwar fiktiv, das heißt alle Namen und Handlungen sowie Geschäfte und Lokalitäten sind frei erfunden, somit alle Ähnlichkeiten rein zufällig und definitiv nicht beabsichtigt, aber ein Märchen ist es eben nicht.
Ein solches könnte es werden, wenn alle Menschen endlich gleich gestellt wären. Wenn auch homosexuelle Paare eine Ehe mit sämtlichen Pflichten, aber vor allem auch mit den dazugehörenden Rechten eingehen dürften, dazu zählt natürlich auch das Recht auf Adoption. Denn eines ist nun einmal Tatsache: Liebe fragt nicht, sie ist einfach da, unabhängig von Alter, Religion, Hautfarbe oder Geschlecht. Verschließen wir auch nicht die Augen davor, dass zum Beispiel Ehen unter Homosexuellen immer noch Lebenspartnerschaften heißen, obwohl das sicherlich ein schöner Anfang ist. Drücken wir allen Pascals und Olivers dieser Welt, aber natürlich auch sämtlichen anderen homosexuellen Paaren die Daumen, dass sich bald alles so wendet wie in den Vereinigten Staaten, denn dann könnten Geschichten wie diese tatsächlich zu Märchen werden, allerdings solchen für Erwachsene.
Wenn Sie bis hierher durchgehalten haben, bitten wir Sie noch einmal um fünf Minuten Ihrer Zeit. Sagen Sie uns doch bitte, ob und wie Ihnen das Buch gefallen hat. Hinterlassen Sie einfach eine kurze Bewertung, am besten dort, wo Sie dieses Buch gekauft haben, aber natürlich auch gerne auf Blogs oder schreiben Sie uns. Sie finden uns bei Facebook unter unseren Namen auf den jeweiligen Autorenseiten oder Sie befragen einfach die Suchmaschine Ihres Vertrauens.
Und jetzt endlich verabschieden wir uns mit einem virtuellen Winken und freuen uns, wenn Sie wieder bei uns hereinschauen. In die nächste Geschichte oder einen Roman – oder einfach bloß so … bei Facebook und Co.
Mit den herzlichsten Grüßen
Frank Böhm und Valerie le Fiery
Ende der Leseprobe
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