Stellen Sie sich folgendes Szenario vor:
Bisher haben Sie der Leistungsgesellschaft immer mehr als nur genügt, doch plötzlich ist alles anders, von einem Tag auf den anderen – so fühlt es sich jedenfalls an. Doch Sie haben es nicht bemerkt – es begann schleichend und nun können Sie es nicht mehr steuern – es steuert Sie. Sie sind ausgebrannt, missmutig, lustlos, gleichgültig, interessenlos und dann wieder getrieben und impulsiv und ziemlich wütend. Sie sitzen auf einem Pulverfass und wer zündelt, sind Sie selbst, solange bis Sie explodieren und plötzlich sind Sie in der Psychiatrie – in der geschlossenen Abteilung. Die Zeit in der Klinik wirkt wie eine Käseglocke, alles läuft geregelt ab, doch Arztgespräche sind Mangelware. Sie wissen absolut nicht was Ihnen fehlt, wie Sie in diese Situation gekommen sind und werden in Gruppentherapien gezwängt – die Individualität des Ichs wird dadurch aufgehoben und geschwächt. Der Mensch wird nicht ganzheitlich behandelt, sondern genormt – Sie sollen ja nur wieder funktionieren – der Leistungsgesellschaft gerecht werden – wie Sie dahin gelangen, ist zweitrangig, wie und mit was die Leere in Ihnen wieder gefüllt wird auch. Sie ekelt das alles an und sie wagen mit einem Mitinsassen den Trip in die Freiheit – es geht auch alles gut, bis sie krank werden – richtig krank – und sie landen gezwungenermaßen wieder dort, wo Sie nie wieder hin wollten. Sie sind psychisch und sozial nun ganz unten. Sie stellen irgendwann im Laufe des Klinikaufenthalts fest: ›Sie haben sich selbst verloren, sind den kleinen Tod des Ichs gestorben.‹ Sie fangen an nachzudenken, über die Welt, über unsere Gesellschaft und unser Gesundheitssystem im Besonderen und über sich selbst und Sie finden sich langsam wieder, staunend betrachten Sie ihr neues ICH.
So ist es Andrè geschehen, im Buch gleichen Namens, welches gleichzeitig Teil I und II beinhaltet und von Marc Schuhmacher geschrieben wurde. Ich habe mich im Vorfeld mit ihm unterhalten. O-Ton des Autors: »Ich habe in dem Buch zahlreiche Begegnungen in der Psychiatrie verarbeitet. Ich habe Orte gewählt, an denen ich war, und Personen beschrieben, die ich kennengelernt habe und besonders fand. Denn ich wollte ein authentisches Werk verfassen. Es vermischt sich viel Autobiografisches mit Fiktion.«
Das Buch umfasst insgesamt gerade mal 102 Seiten – die haben es aber in sich. Sensibel, intensiv berührend, sehr ehrlich und realitätsnah – so kommt die Handlung rüber. Ab der Seite 76 setzt sich der Autor sehr kritisch mit unserer Gesellschaft, der Gefühlswert und dem Tun der Menschen und dem Gesundheitswesen auseinander – da kommen so einige Wahrheiten in die Buchzeilen. Marc Schumacher – ein mutiger junger Mann. Ich hoffe noch viel von ihm lesen zu dürfen und ich wünsche ihm ganz viel Glück auf seinem neuen Weg, auch als Mitglied der schreibenden Zunft.
Dieses kleine Buch hat meine uneingeschränkte Leseempfehlung. Lesen Sie dieses Buch, es spricht die Seele an und macht munter.
Heidelinde Penndorf
(12.03.2019)
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